Rock Times, 27/06/2011
Winther-Storm: Patchwork Rezensionen
Hinter Winther-Storm stecken zwei norwegische Musiker, die sich schon seit sehr langer Zeit kennen. Einerseits ist es der Gitarrist Håkon Storm und andererseits Thomas Winther Andersen am Bass. Für ihre erste gemeinsame Arbeit wird die Band mit dem argentinischen Saxofonisten Natalio Sued und Mark Coehoorn (Schlagzeug) aus den Niederlanden richtig international.
Auf ihren Werdegängen sind die vier Musiker unterschiedlichen Künstlern/Bands begegnet. So bringt man mit Thomas Winther Andersen Michiel Borstlap, Jasper Blom Sheila Jordan oder Lee Konitz in Verbindung. Håkon Storm ist Mitglied der Band Line Up. Neben seiner Unterrichtstätigkeit an der Norwegian State Academy of Music ist er Dirigent und Komponist bei der Bergen Big Band, Oslo Workshop Big Band und dem Prime Time Orchestra. Mehrere Japan-Touren brachten ihn zusammen mit Yoshihiko Katori und dem Global Jazz Orchestra. Natalio Sued spielte unter anderem mit Rodrigo Dominguez, Michael Moore und der Band Tetzepi. Der junge Drummer Mark Coehoorn ist in der Szene durch die Arbeit mit Benjamin Herman, Joris Roelofs und Jesse van Ruller bekannt.
Der Titel des Debüts “Patchwork” könnte also einerseits aus der Internationalität des Quartetts oder der Vielfältigkeit des vorgetragenen Jazz resultieren. Meiner Meinung nach reflektieren die zehn Songs beide Richtungen. Fast gleich ist die Anzahl der Kompositionen von Håkon Storm beziehungsweise Thomas Winther Andersen. “Forlane” von Maurice Ravel wurde durch den Bassisten neu arrangiert und “Double Fusion” »was commissioned by Fonds Podiumkunsten.«
Für “Patchwork” hat sich ein vortreffliches Quartett zusammengefunden und beim Jazz als Überbau befindet sich der Vierer klanglich in der Karibik, beim Funk oder Blues und auch keltische Einflüsse lassen sich ausmachen. Als Alleskönner an ihren Instrumenten sticht doch Storm heraus. Er weiß seinem Arbeitsgerät bei den Einsätzen, ob nun als Begleiter oder Solist, immer wieder neue Klang- Farben zu geben. Dabei geht der Protagonist auch sehr weite Sound-Wege, die ihn bis zu Rückkopplungen führen. Der Gitarrist setzt durch besondere Originalität stilistische Akzente. Winther-Storm verknüpfen auf ungemein wirkungsvolle Art und Weise traditionellen Jazz mit der Moderne. Ausgesprochen gut sind die balladesken Ausflüge der Combo. “Cross Wave” ist eine alternierende Winther-Storm-Angelegenheit, bei der Coehoorn am Schlagzeug äußerst feinfühlig begleitet. Die Nummer geht unter die Haut. Der Gitarrist gibt dem Track am Ende noch einen flotteren Schuss an Fahrt mit. “Macro Wave” ist ein herausragendes Stück sphärisch-erdiger Klänge. Die lyrische Ballade erstreckt sich über nur knapp fünf Minuten, in denen aber traditionelle und moderne Welten miteinander verschmelzen. Kontrabassist Winther Andersen ebnet den Weg für die vielstimmige Storm-Gitarre und “Cross Atlantic Nr 6″ vereint freie Saxofonläufe mit intimen Sechssaiter-Variationen.
“Electric Circus” ist Fusion, so wie es der Titel schon ausdrückt. Gigantisch gut sind die Unisono-Teile von Sueds Holzblasinstrument und effektvoller Gitarrenvirtuosität. Was Storm in der Begleitung des Saxofonsolos treibt muss man gehört haben. “Trance Formations” stellt den Hörer auf eine Probe, denn es ist schon verdammt gut, wenn die Männer in Hochgeschwindigkeit auf ihren Instrumenten über die gesamte Track-Spielzeit Furioses leisten. Nur Winther Andersen sowie Mark Coehoorn sorgen für Bodenständigkeit.
Das nonverbale “Patchwork” ist kein Stückwerk, sondern ergibt als Ganzes ein vorzügliches Jazz-Bild mit vielen Facetten. Winther-Storm & Co. können einer tonalen Fortsetzung gelassen entgegensehen.