Ihr 2013er Album “Spinnaker” gewann den Independent Music Award (IMA) und wurde auch auf unserer Seite gefeiert, WINTHER-STORMs neues Album bietet einmal mehr eine fantastische Mischung aus akustischem und elektrisch verstärktem Jazz, lässt sich aber nicht direkt mit dem preisgekrönten Werk vergleichen. “Flotsam” beruht nämlich auf vielen kaum einminütigen Vignetten, die Brücken zwischen größtenteils improvisierten Nummern schlagen.
Gewisse Rock-Einflüsse sind nach wie vor nicht von der Hand zu weisen, doch der Sound und die Stimmung des neuen Materials von Gitarrist Håkon Storm (auch Zapp4) und Bassist Thomas Winther Andersen (u.a. Lee Konitz) befinden sich in einem unaufhörlichen Flow, was Assoziationen zu Filmscores weckt. Man könnte die längeren Tracks als abstrakte instrumentale Gespräche bezeichnen, in denen Tenorsaxofonist Natalio Sued ungefähr genauso viel zu “sagen” hat wie der Bandleader.
Von Anfang an steht also fest, dass ungeachtet des Namens des Projekts zwar erstens der Gitarrist, aber anstelle des Tieftöners zweitens der Holzbläser die Fäden zieht. ‘Turbulence’ lässt sich als vertonte Essenz der Logik begreifen, nach der WINTHER-STORM 2019 vorgehen. Das zumindest teilweise hörbar ausgeschriebene Stück wird von einem “Intro” eingeleitet, dass sozusagen die Grundstimmung vorgibt, welche sich in etwa mit jener eines alten Schwarzweiß-Krimi vergleichen lässt.
Dem gegenüber steht das fast futuristisch anmutende ‘Probing Steps’, das sich für Unbedarfte ebenso als Teaser eignet wie ‘Short Days’ und ‘Doe’, beides anschauliche Belege dafür, wie ungehemmt die Formation – auch mit elektronischen Versatzstücken im Gepäck – durch mehrere Jahrzehnte Genre-Historie tigern – abseits des Mainstreams und dennoch relativ massentauglich.
FAZIT: Das norwegisch-niederländisch-argentinische Quartett WINTHER-STORM hat abermals einen Weg gefunden, klassischen Combo-Jazz konzeptionell zu innovieren. Seine aktuelle Mixtur aus Stegreif-Musik und strikter Komposition kommt dem Hörer einerseits vertraut vor, andererseits fremd, jedoch nie unpersönlich. Das Ergebnis ist sachte und dennoch verheißungsvoll spannend, Post Bop im wahrsten Sinn des Wortes, der nicht mehr viel mit dem Nordic Jazz zu tun, in dessen Kontext man seine Schöpfer in der Vergangenheit mitunter wahrnehmen konnte.
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