www.musikreview.de, 01/07/2011
Winther-Storm: Patchwork (Review)
Na, wenn sich mit diesen Namen nicht zwei gesucht und gefunden haben: Das Duo Winther Andersen und Storm offeriert mit “Patchwork” ein ansprechendes ebensolches aus gar nicht einmal so typischem skandinavischem Jazz und allerlei anderem Guten, das Schönhörern die Haare zu Berge stehen lässt und Goldschürfern die Freudentränen in die Augen treibt.
Super gerät gleich schon “Riff og allsang”: Coehoorn swingt formidabel im Verbund mit dem namensgebenden Bassisten, derweil Gitarrist Storm in bester Free-Spielweise dem Gefühl die lange Leine lässt, das sich in musikalischer Formelhaftigkeit beim besten Willen nicht ausdrücken lässt. Dennoch bewahrt das Ensemble die Struktur, nicht zuletzt auch ob des gern eingesetzten Stilmittels Unisono, wo wir bei Matalio Sued wären, einem durchweg untypischen Bläser, der dem Klampfer die unrunden Bälle zuspielt und umgekehrt. Dass einem ähnlich zwischen Tradition und Innovation sausenden Veteranen wie John Scofield “Trance Formations” gefällt, wird gleich während der ersten Minute klar: Hier vermengen WINTHER-STORM Groove und malerische Saxofon-Lines mit Hibbeligkeit und dem Feuereifer des frühen Bebop, bevor sie mit “Cross Wave” vorhersehbar lyrischem Nordic Jazz Rechnung tragen. Diese Kunst der leisen Töne führen das quasi-Schwesterstück “Macro Wave” beziehungsweise “Cross Atlantic View nr 6″ auf die gleiche Weise fort, wohingegen “Electric Circus” verhalten anzerrt und Fusion- beziehungsweise Hard-Prog-Gefilde streift, wo an der nächsten Kreuzung KING CRIMSON winken.
“Forlane” legt hinterher Maurice Ravel unters Messer, überführt klassischen Impressionismus also in den neuzeitlichen Jazz, und zwar auf bestechender Weise, indem das Hauptmotiv erkennbar bleibt, allerdings weiter- oder umgedacht wird. Dabei klingt es genauso entspannt wie die beiden nachfolgenden “Double Fusion”-Teile, welche auf Material aus dem Jahr 2008 zurückgehen. Hangeln WINTHER-STORM sich hier eher an der stark vom Bass geprägten Historie ihrer Stilistik entlang, schneidet das finale “Undercurrent” einmal mehr an, was nicht an jeder Ecke oder im hundertsten Jazzkeller verköstigt wird. Materialhaft, dennoch strukturiert und stimmungsvoll – Vokabeln, die “Patchwork” in seiner Gesamtheit treffend beschreiben.
FAZIT: Von Norwegen aus weht ein schön ungewöhnlicher Wind zum Festland hin, und dieser WINTHER-STORM sorgt in hiesigen Hallen für wohlige Wärme wie verdutztes Aufschauen, wenn Klangdiktatoren und Musikhochschullehrer sich die Köpfe heißreden, ob “Patchwork” jetzt “richtiger” Jazz ist oder doch einfach nur aufregende, auf Improvisation beruhende Klangkunst ohne Scheuklappen, durchweg mit Genuss hörbar und spannend.
Patchwork (2011) – 13/15 Punkten
Musikreviews Andreas Schiffmann